Alter Ort: Wann ist ein Platz ein Platz?

Im Rahmen unseres Stadtumbauprogramms ‚Vom Alten Ort zur Neuen Welt‘ ist auch die Umgestaltung des Marktplatzes ein wichtiges Thema geworden. Mit den Ideen dazu befasste sich gestern die AG Stadtentwicklung unter Leitung von Bettina Blüchardt. Im Treffpunkt diskutierten Mitglieder der Partei und der Fraktion über die bereits vorliegenden Vorschläge und auch über eigene Vorstellungen und Ideen.

Das Alte Rathaus, erbaut 1702, stand einst mitten auf dem Marktplatz und wurde 1876 wegen Baufälligkeit abgerissen. Seitdem befanden sich an dieser Stelle ein Germania-Denkmal, eine Hitlereiche, ein Blumenbeet und ein Parkplatz. Aktuell ist der Marktplatz einfach leer und wird von der angrenzenden Gastronomie genutzt. 

Zur Umgestaltung des Platzes gibt es bereits folgende Ideen:

Der achteckige Brunnen

Vom Magistrat beauftragt liegt der Entwurf für einen Brunnen vor, der die oktogone Form der Altstadt aufgreift, dekoriert mit den historischen Namen der Gassen, dem Hugenottenstern, dem Wappen des Stadtgründers und einem Abbild des Alten Rathauses. Gestaltet wurde das Ganze vom Steinbildhauer Alex Kaufmann und erinnert an typische französische Dorfbrunnen. Dieser Brunnen, da sind sich alle AG-Mitglieder einig, ist ‚eigentlich ganz schön‘, aber so richtige Begeisterung will nicht aufkommen. Auch die Erinnerung an andere Brunnen, zum Beispiel vor dem Bürgerhaus in Zeppelinheim, die aufgrund von Beschwerden der Anwohner wegen lautem Plätschern abgeschaltet werden mussten, ist noch sehr präsent. 

Der Wiederaufbau des Hugenottenrathauses

Das Alte Rathaus wieder aufbauen – das ist die Vision des Trägervereins Hugenottenrathaus. Eine Idee, die erstmal ganz charmant klingt: Das ehemalige Wahrzeichen der Stadt könnte, analog zur Frankfurter Neuen Altstadt, Besucher nach Neu-Isenburg locken und die Identifikation der Neu-Isenburger mit dem Alten Ort fördern. So stellt sich das der Trägerverein zumindest vor. Doch aus Sicht der AG-Mitglieder gibt es einen ganz entscheidenden Haken. Wer die britische Science-Fiction-Serie ‚Doctor Who‘ kennt, kennt auch das Raumschiff des Doktors, die ‚Tardis‘, die ‚bigger on the inside‘, also innen viel größer als außen ist. Von draußen lediglich so groß wie eine Telefonzelle, verbirgt sich im Inneren eine riesige Kommandozentrale. Für unser Altes Rauthaus gilt leider das genaue Gegenteil. Schaut man sich den Grundriss an, so ist der zwar mit ca. 7 Metern Durchmesser ziemlich klein – mit einer Höhe von 14,96 Metern ist das Rathaus aber tatsächlich eher ein Turm und etwa so hoch wie das in der Kronengasse an den Marktplatz angrenzende Mehrfamilienhaus. Aus einem hellen und offenen Platz würde ein schattiger, um das Gebäude herumführender Ring. Dem gegenüber steht ein vergleichsweise winziger Innenraum, nicht wesentlich größer als das Wohnzimmer der meisten Neu-Isenburger. Für die AG bleibt die Frage offen, wie ein solcher Raum sinnvoll genutzt werden könnte. Ein Besucherinformationszentrum, wie vom Trägerverein angedacht, setzt voraus, dass viele Touristen unsere Stadt besuchen. Das können wir uns aber einfach nicht vorstellen. Die unten offene Bauweise mit Torbögen rund um einen Brunnen würde vermutlich außerdem dazu einladen, den Bereich als öffentliche Toilette zu nutzen. 

Die ‚Mairie

Von Werner Stahl und seinem Verein ‚Pour L’Yseboursch’ stammt eine Idee, die den Grundriss des Alten Rathauses aufgreift, aber in Form niedriger Mauerstücke, die als Sitzgelegenheit dienen und auch als Outdoor-Klassenzimmer genutzt werden können. Außerdem sind verschiedene Umbauten möglich: Der Brunnen kann im Dezember zum Halter für den Weihnachtsbaum werden, die Sitzblöcke werden mit einer Holzplatte zur Bühne für Feste und Veranstaltungen. An dieser Idee gefällt uns, dass an das historische Rathaus erinnert wird, ohne den Platz zu verbauen, unterschiedliche Bedürfnisse wurden hier berücksichtigt. Hier müsste man allerdings prüfen, ob die Idee nicht nur ‚auf dem Papier’ stimmig ist. Für den Umbau zur Bühne werden sehr große Platten benötigt, die transportiert und gelagert werden müssen und im Gegenzug nur eine sehr niedrige und einfache Bühne bieten. Kleinere Kulturveranstaltungen wie beispielsweise die ‚Moments Musicaux’ des Forums zur Förderung von Kunst und Kultur (FFK) brauchen nicht unbedingt eine Bühne, größere Veranstaltungen wie das Altstadtfest einen größeren und vor allem stabileren Aufbau.

Unsere Gedanken dazu

Wir, die Teilnehmer der AG, sind der Meinung, dass alles, was fest auf den Marktplatz gebaut wird, ein potenzielles Hindernis für Veranstaltungen sein kann. Die Belebung des Platzes mit Menschen, nicht mit Bauwerken, sollte aber unser oberstes Ziel sein. Die Nutzung des Marktplatzes durch die umliegende Gastronomie bringt Leben auf den Platz und trägt zu einer erhöhten Sicherheit und Sauberkeit bei. Es muss aber auch weiterhin möglich sein, auf dem Marktplatz zusammenzusitzen, ohne nach dem Getränkewunsch gefragt zu werden. Öffentliche Bänke oder andere Sitzgelegenheit muss es daher weiterhin geben. Die Sichtachsen des barocken, geometrischen Grundrisses sind wichtig für die Führungen des Stadtmuseums. All das spricht aus unserer Sicht dafür, den Platz nicht zu bebauen.

Ein leerer Platz, echt?

Wir sind der Meinung, dass nicht unbedingt in die Höhe gebaut werden muss. Wir haben einen großen, freien Platz, der im Rahmen des Stadtumbauprogramms sowieso neu gepflastert werden soll – warum nutzen wir nicht diese Fläche zweidimensional? Die originalgetreuen Umrisse des Hugenottenrathauses könnten in Messing – ähnlich wie die bekannten Stolpersteine – auf dem Marktplatz eingelassen werden, vielleicht dekoriert mit den eingeschlagenen Namen der ersten Siedler. Die gepflasterte Fläche könnte mit unterschiedlichen Steinarten und -farben wie ein Mosaik gestaltet werden und so die ursprüngliche Nutzung (Brunnen, Rats-Saal, Wachstube) und die historischen Namen der Gassen visualisieren. Auch von oben (z.B. bei Google Maps) wäre das ein Hingucker, und der Platz könnte weiterhin wie gewohnt genutzt werden. Ein besonderes Highlight könnte ein in den Boden eingelassener QR-Code sein, der beim Einscannen auf eine Augmented-Reality-Version des Alten Rathauses verweist. Hier sieht man auf dem Bildschirm des Handys oder Tablets eine computergenerierte Version des Gebäudes in Originalgröße und kann darin herumlaufen. Etwas Ähnliches ist heute schon im Zeppelinmuseum möglich, wo man mit Hilfe einer VR-Brille digital ins Luftschiff ‚Graf Zeppelin‘ einsteigen kann. Wir finden, es ist wichtig, auf unsere Stadtgeschichte hinzuweisen und sie erlebbar zu machen – aber wir möchten nicht nur nach hinten schauen und Altes rekonstruieren. Der Einsatz moderner Technologie macht unsere Geschichte auch für jüngere Generationen interessant. Diese Idee werden wir mit der Fraktion weiter diskutieren.

Das war für uns alle ein spannender und konstruktiver Abend. Mit dabei waren unter der Leitung von Bettina Blüchardt aus Fraktion und Partei: Kati Conrad, Oliver Hatzfeld, Stefan Niedfeld, Peter Overmann und Helmut Schmidt. 

[Kati Conrad]

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