Ein Tag im Mai – das Parkplatzdilemma im Alten Ort

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Mal wieder um den Alten Ort ging es am Freitag im Plenarsaal des Rathauses. Diesmal waren die Bewohner eingeladen und sollten auf den neuesten Stand gebracht werden: Wie geht es mit dem Marktplatz weiter, welche weiteren Maßnahmen (z.B. barrierefreie Pflasterung) sind in den Gassen und Gässchen geplant? Auch der Gestaltungsleitfaden und das Anreizprogramm für die Altstadt und die Innenstadt wurden vorgestellt. Nach unserer bisherigen Erfahrung gibt es aber ein Thema, das die Gemüter besonders erhitzt und immer zu angeregten Diskussionen führt: Verkehr und Parkplätze! So war es auch diesmal. 

Das Büro Habermehl & Follmann aus Rodgau hatte eine Parkraumanalyse durchgeführt und Stadtplaner Hendrik Ilken präsentierte uns die Ergebnisse. Beobachtet wurde die Parksituation an einem Tag im Mai diesen Jahres. Hier ging die Diskussion bereits los – nur ein einziger Tag? Wären nicht unterschiedliche Szenarien sinnvoll? Wochentag, Wochenende, Sommer, Winter, bei Veranstaltungen? Schließlich spielt die Frequentierung der Gastronomie eine wichtige Rolle. Ein Tag reiche aus, erklärte Herr Ilken, denn für die Auswahl eines repräsentativen Termins gäbe es genau festgelegte Kriterien. „Und was soll auch an einem zweiten Tag Überraschendes herauskommen, wenn man an dem einen Tag schon sieht: Es ist voll!“ gab Bürgermeister Gene Hagelstein zu bedenken. Dem konnten die meisten Anwohner zustimmen.

Im Alten Ort wohnen aktuell 657 Menschen, die 385 Autos besitzen. Hochgerechnet sind das rund 590 Fahrzeuge auf 1.000 Einwohner. Damit liegt der Wert unter dem der Gesamtstadt, wo auf 1.000 Einwohner 620 Kfz kommen. (Allerdings konnten nicht auf Anwohner registrierte Firmenwagen nicht mit erfasst werden.) Mitarbeiter von Habermehl & Follmann ermittelten eine Gesamtzahl von 405 Parkplätzen im Alten Ort, also sollte doch eigentlich alles in Ordnung sein. Oder etwa doch nicht? Der kritische Punkt ist, dass sich davon nur 120 Plätze auf der Straße, also im öffentlichen Raum befinden. Die restlichen 285 möglichen Stellplätze wurden anhand der Auswertung von Luftbildern auf privaten Grundstücken lokalisiert. Das wirft Fragen auf:

Erstens: Wann ist ein Parkplatz ein Parkplatz? Kann ein Bewohner ‚gezwungen’ werden, sein Grundstück zum Parken zu nutzen, statt für eine Terrasse oder ein Blumenbeet? Wie verträgt sich das mit dem allgemeinen Wunsch nach Entsiegelung und Begrünung möglichst vieler Innenhöfe?

Zweitens: Ist es vertretbar, einem Bewohner mit einer Parkmöglichkeit im Hof den Anwohnerparkausweis zu verwehren? Frau Marburger vom Ordnungsamt gab uns Auskunft, dass man sich bisher bewusst dafür entschieden habe, jedem ordnungsgemäß im Alten Ort gemeldeten Bürger einen Ausweis auszustellen, wenn er nur bereit sei, 15 Euro pro Jahr zu bezahlen. 

Die Studie besagt, dass die vorhandenen Parkplätze mittags zu etwa 70-80% ausgelastet sind, abends zu 100% oder sogar darüber (wenn illegal geparkt wird). Die überwiegende Mehrheit bilden dabei Langzeitparker, also höchstwahrscheinlich Anwohner. Wer hier wohnt oder ein Lokal besuchen möchte und keinen Parkplatz findet, kann bisher auf den Wilhelmsplatz ausweichen. Bei besonderen Anlässen (z.B. Weihnachtsmarkt, Altstadtfest) ist hier aber selbst für Anwohner nichts mehr frei. Immer wieder wird hier bei verschiedenen Gelegenheiten über die Idee diskutiert, auf dem Wilhelmsplatz ein mehrgeschossiges Parkdeck zu errichten. Das würde zwar helfen, wird aber inzwischen als die Lösung sämtlicher Parkprobleme im Innenstadtbereich gehandelt, beispielsweise auch dann, wenn es darum geht, Parkplätze auf der Frankfurter Straße zu reduzieren. Dazu kommt, dass der Wilhelmsplatz mit einem Parkdeck vor allem eines nicht mehr ist: ein Platz! Kleinere Events wie den Flohmarkt könnte man nach wie vor auf dem obersten Deck durchführen, wie das auch in anderen Städten in größeren Parkhäusern getan wird. Veranstaltungen wie die Neu-Isenburger Kerb müssten wegfallen oder ausweichen.

Die Pfarrgasse, diesmal im November, samstags, 11:38 Uhr

Nun muss aber im Alten Ort nicht nur das Parkplatzproblem gelöst werden, auch der Durchgangsverkehr soll reduziert werden. Viele nutzen die Gassen als ‚Schleichweg’ zwischen Frankfurter und Offenbacher Straße, der Parksuchverkehr der Gaststättenbesucher erhöht den Lärmpegel und verringert die Aufenthaltsqualität sowie die Sicherheit für andere Verkehrsteilnehmer. Präsentiert wurde uns eine Gestaltungsidee, bei der Parkplätze und Bäume versetzt angeordnet sein . Das soll Autofahrer zum Langsamfahren bewegen und die Gassen optisch auflockern. Aber – man ahnt es schon – dafür müssten Parkplätze wegfallen! Eine Anwohnerin gab zu bedenken, dass bereits die aktuell schnurgerade Gasse für die Müllabfuhr kaum befahrbar sei, Blumenkübel müssten immer wieder verschoben werden und stünden dann den Fußgängern im Weg. Das versetzte Parken erschwert die Zufahrt (auch für Feuerwehr, Rettungswagen) im ungünstigen Fall noch weiter. Und hier führt der Bogen wieder zurück zum Parken auf dem eigenen Grundstück: Wer bis jetzt vorbildlich im Innenhof parkt, muss bei der versetzten Lösung künftig mehr rangieren und kurbeln, um ohne Kratzer in seine Einfahrt zu fahren. Wer ein großes Auto hat, parkt nun bevorzugt wo? Genau.

Als die Risiken durch zu schnell fahrende Autos im Alten Ort angesprochen wurden, meldeten sich gleich mehrere Anwohner zu Wort und waren sich einig, von wem aktuell die größte Gefahr ausgeht: „Das sind die Fahrradfahrer!“ hieß es unisono. „Und nicht die jungen Leute! Das sind vor allem unsere Senioren!“. Oh. Wir waren alle überrascht und uns wurde erklärt, das man kaum aus der Haustür treten könne, ohne fast von einem Zweirad umgefahren zu werden. In der weiteren Diskussion wurde schnell deutlich, woran das liegt: Der Alte Ort ist, obwohl es sich um eine einheitlich verkehrsberuhigte Zone (wie z.B. eine Spielstraße) handelt, durch die Pflasterung optisch in Straße und Gehweg unterteilt. Auf der ‚Straße‘, wo die Radfahrer eigentlich hingehören, liegt aber das besonders holprige Kopfsteinplaster, dort zu radeln ist sehr unangenehm. Deshalb weichen die meistens Radfahrer auf den wesentlich glatteren ‚Gehweg‘ aus – und der ist recht schmal und führt natürlich direkt an den Haustüren vorbei. Bei der geplanten barrierefreien Umgestaltung des Pflasters sollte daher geprüft werden, ob die Trennung wegfallen und das Ganze optisch eher als ‚Shared Space‘ daherkommen sollte.

Fazit: Für uns ist die gleichwertige Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer wichtig. Am Beispiel Alter Ort sehen wir, wieviel an der Frage nach Parkplätzen noch dranhängen kann. Da geht es um Mobilität allgemein (nicht jeder kann mit dem Fahrrad fahren oder Einkäufe vom Wilhelmsplatz nach Hause tragen), um Sicherheit, soziale Teilhabe für Menschen mit eingeschränkter Mobilität – und damit auch um Lebensqualität. Gleichzeitig wünschen wir uns natürlich eine Entlastung vom fließenden Verkehr – und auch mehr Grün im Alten Ort. Auf die Stadtverwaltung und das Parlament warten hier noch komplexe Aufgaben.

[Kati Conrad]

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