Onkel Wanja und der Haushalt der Stadt

Gestern trafen sich alle Stadtverordneten und die Mitglieder des Magistrats (komplett vollzählig!) zur letzten Stadtverordnetenversammlung des Jahres. Wichtigster Punkt auf der Tagesordnung war der Nachtragshaushalt 2022/23. Ein Haushalt, der auf den ersten Blick sehr gut aussieht: ausgeglichen, ohne Steuererhöhungen, Gebührenerhöhungen oder Leistungskürzungen. Die Abfallgebühren werden sogar gesenkt. Also alles in bester Ordnung?

Das Stück ‚Onkel Wanja’ des russischen Schriftstellers Anton Tschechow spielt am Ende einer Epoche – das nahe Ende ist bereits spürbar, aber es zeichnet sich noch nichts Neues ab. Tun oder Nichtstun ist ein Grundthema des Stückes, die Charaktere klagen auf hohem Niveau. Wir finden, die beschriebene Situation passt zu unserem Haushalt und deshalb haben wir sie für den Titel des Artikels verwendet.

In den letzten Jahren sind die laufenden Ausgaben kontinuierlich angestiegen, durch die Folgen der Pandemie und des Kriegs in der Ukraine, die hohe Inflation und die stark gestiegenen Energiepreise sind neue ungeplante Aufwendungen hinzugekommen, gleichzeitig wird im nächsten Jahr mit einem Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen gerechnet. Die Ergebnishaushalte der vergangenen drei Jahre waren bisher ausgeglichen, da Neu-Isenburg sich gleich über mehrere Sonderzahlungen freuen konnte: zwei große Beträge bei der Gewerbesteuer und eine einmalige pandemiebedingte Kompensation des Landes Hessen – insgesamt 162 Millionen!

Ob wir in der Zukunft mit solchen Sonderzahlungen rechnen können und in welcher Höhe, wissen wir nicht. Deshalb gilt es bereits jetzt gegenzusteuern. 

Vieles von dem, was wir uns heute leisten, verdanken wir hohen Gewerbesteuereinnahmen, und in einer wachsenden Stadt mit mittlerweile über 40.000 Einwohnern müssen die technische, soziale und kulturelle Infrastruktur weiter mitwachsen, erläuterte unser Fraktionsvorsitzender Dr. Oliver Hatzfeld in seiner Haushaltsrede. Für mehr finanziellen Handlungsspielraum müssen logischerweise die Einnahmen gesteigert, die Ausgaben effizient eingesetzt werden. In der Rede wurde skizziert, wie das gelingen kann:

Einnahmen steigern:

Gewerbesteuerhebesatz

Ein niedriger Gewerbesteuerhebesatz schafft einen Anreiz für Unternehmen, sich anzusiedeln und eröffnet so natürlich längerfristig Perspektiven für höhere Gewerbesteuereinnahmen. Zum Doppelhaushalt 22/23 hatte die Koalition daher den Magistrat beauftragt, zu prüfen ob der Hebesatz in 2 Stufen von 345 auf 320 Punkte gesenkt werden kann. In einem ersten Schritt wurde er zum 1. Januar 2022 auf 330 Punkte gesenkt und ist damit – zusammen mit Eschborn – der niedrigste in der Region. Die von uns für 2023 befürwortete Absenkung des Hebesatzes auf 320 Prozentpunkte muss angesichts der Mehrfachkrise allerdings erstmal warten.

Wirtschaftsförderung

Der technische Fortschritt, die Digitalisierung, zunehmende Homeofficearbeit und stark gestiegene Kosten fossiler Energieträger verändern die Rahmenbedingungen und Geschäftsmodelle der Unternehmen. Damit der Wirtschaftsstandort Neu-Isenburg auch in der Zukunft wettbewerbsfähig bleibt, haben wir beantragt, dass die Wirtschaftsförderung entsprechende Konzepte entwickelt. Zu unserem Antrag wurde nun ein Beschlussvorschlag vorgelegt, die konzeptionelle Arbeit zusammen mit der Frankfurt University of Applied Sciences durchzuführen und parallel eine Kommunikations- und Werbekampagne zu starten. Dem Vorschlag haben wir zugestimmt.

Investitionen

Auch eine attraktive, bürgerfreundliche Stadt ist ein Wettbewerbsvorteil bei der Ansiedlung von neuen Unternehmen. Investitionen in die Infrastruktur sichern daher die zukunftsfähige Entwicklung der Stadt. Im Verkehrsbereich ist die Verlängerung der Regionaltangente West bis ins Birkengewann eine zentrale Komponente zur Verkehrsentlastung auf der Ost-Westachse. Auch die Anbindung der Gewerbegebiete wird wesentlich verbessert. Der enge Zeitplan, die Planfeststellung soll im ersten Quartal 2024 erfolgen und macht umfangreiche Planungen in sehr kurzer Zeit erforderlich, die Interessen von Anwohnern, Grundstückseigentümern, den Bürgern allgemein müssen dabei mit einbezogen werden. Um die Verwaltung hierbei zu Unterstützung , haben wir die Berücksichtigung entsprechender Mittel für die Entlastung durch externe Planungsbüros eingestellt.

Für die Umgestaltung der Hugenottenhalle zum Dritten Ort, dem kulturellen Wohnzimmer für die Bürger der Stadt, sind Planungsmittel im Haushalt berücksichtigt und bereits Rücklagen für die Realisierung gebildet. Zusätzlich werden dringend noch Fördermittel und ein Finanzierungskonzept benötigt, um die Realisierung nicht weiter zu verzögern und damit die Baukosten nicht weiter steigen zu lassen.

Damit Projekte zukünftig nicht ohne entsprechend ausreichende Fördermittelzusage in die Ausschreibung gehen, wie bei der Sanierung des Hartrasenplatzes und des Stadionrasens geschehen, hat unser Fraktionsvorsitzender angekündigt, künftig die Ausgaben solange durch einen Sperrvermerk zu sperren.

Ausgaben effizient einsetzen:

Ausgabenkontrolle

Bei den aktuellen Unsicherheiten der Entwicklung der Einnahmen und den absehbar steigenden Kosten für Energie, Kreditzinsen und durch die Inflation sollte die Entwicklung der Ausgaben begrenzt werden. Nicht erforderliche Ausgabenausweitungen müssen vermieden werden. Deshalb haben wir der Schaffung einer neu einzurichtenden Stabstelle Europa nicht zugestimmt. Die Bemühung um europäische Fördermittel finden wir hingegen sinnvoll und haben daher stattdessen beschlossen die Stelle mit der Wirtschaftsförderung zusammenzulegen und auf insgesamt 30 Stunden zu begrenzen.

Konsolidierungsmaßnahmen

Mit dem Beschluss des Nachtragshaushalts haben wir den Magistrat aufgefordert, für den Doppelhaushalt 2024/25 Konsolidierungsmaßnahmen zu erarbeiten und eng mit dem Parlament abzustimmen. Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Oliver Hatzfeld hat die Erwartung an die Dezernenten zum Ausdruck gebracht, entsprechende Vorschläge aus ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dem Parlament bereits im ersten Quartal 2023 zur Beratung vorzulegen, denn analog zum Schlüsselsatz in Onkel Wanjas viertem Akt finden wir: Man muss etwas tun!

Nachdem Einnahmen und Ausgaben seitenweise durchgearbeitet und über alle Haushaltsanträge abgestimmt war, stimmten alle Fraktionen mit Ausnahme von FDP, AfD und Linke dem Haushalt zu.

Jugendforum

Abgestimmt wurde auch über eine vom Jugendforum erarbeitete Satzung, die die Arbeit des Kernteams künftig regeln soll. Das Jugendforum kann künftig initiativ Anfragen und Anträge an die Stadtverordnetenvorsteherin richten und erhält von der Stadt Unterstützung in Form von technischem Equipment und einem Büroraum. Unser Fraktionsmitglied Dominik Jurkovic lobte stellvertretend für die CDU-Fraktion das Engagement des Kernteams, das auf der Zuschauertribüne vollständig anwesend war.

Fahrradabstellanlagen für die Frankfurterstraße

Im letzten Tagesordnungspunkt der Sitzung haben wir uns mit Fahradabstellanlagen in der Frankfurter Straße beschäftigt und dazu einen Änderungsantrag eingebracht, der anschließend mit breiter Mehrheit beschlossen wurde. Durch die von uns vorgeschlagene Änderung werden zusätzliche Abstellplätze für Fahrräder geschaffen ohne dabei die ohnehin schon knappen Parkplätze zu reduzieren.

Im Anschluss an die Sitzung beschlossen wir das Jahr in bester Stimmung mit einer kleinen Weihnachtsfeier vor dem Plenarsaal, wünschten uns gegenseitig ein frohes Fest und entschwanden in dicke Jacken, Schals und Mützen eingemummelt in der eiskalten Nacht.

Für uns ist das Sitzungsjahr noch nicht ganz vorbei – auf dem Programm steht neben einem Weihnachtsessen der Fraktion noch ein Treffen der neu gegründeten AG Smart City. Doch davon erzählen wir in einem anderen Artikel. Unseren Lesern wünschen wir erholsame Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

[Kati Conrad, Oliver Hatzfeld]

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